Unterschiedliche Perspektiven

Stimmen der Front: Ellis Silas-ein ANZAC-Soldat

Ellis Luciano Silas (13. Juli 1885 – 2. Mai 1972) ist eine der wenigen erhaltenen unmittelbaren Stimmen eines einfachen Soldaten an der Front von Gallipoli. Silas war eigentlich Künstler und Zeichner aus Großbritannien. Trotzdem meldete er sich freiwillig zum Australian Imperial Force und diente als Signaller beim 16th Battalion, also nicht als Offizier, sondern als ganz normaler Frontsoldat.

Er landete am Abend des 25. April 1915 mit seinem Bataillon an der Küste von Gallipoli. In den folgenden Tagen und Wochen erlebte er die Kämpfe um Stellungen wie Pope’s Hill und Quinn’s Post aus nächster Nähe. Sein Bataillon verlor dabei so viele Männer, dass es nach kurzer Zeit praktisch auf zwei geschwächte Kompanien zusammengeschrumpft war. Silas beschreibt diese Phase als Chaos aus Einschlägen, Erschöpfung, Verwundeten und ständigem Beschuss.

Die Belastung war so extrem, dass Silas am 17. Mai 1915 schwer erkrankte und per Hospitalschiff aus Gallipoli abgezogen werden musste – erst nach Ägypten, später weiter nach England. Im August 1916 wurde er offiziell als dauerhaft „untauglich für Fronteinsatz“ aus dem Australian Imperial Force entlassen. 

Quellenkritik

Bei dieser Primärquelle es handelt sich hier um ein Abschnitt aus dem Fronttagebuch von Silas im 16ten Battalion. Darin schildert er, wie er als Meldegänger unter ständigem Scharfschützenfeuer Nachrichten überbringen müsse. Kameraden und Vorgesetzte hätten ihm zugerufen, er solle rennen, da die Scharfschützen sonst auf ihn anlegen würden. Er selbst gibt an, er habe diese Gefahr beinahe gleichgültig hingenommen: Wenn er getroffen werde, dann sei das eben so; Zugleich beschreibe er eine Szene mit Packtieren, die Munition transportierten. Diese Maultiere seien auf einem engen, ungeschützten Weg unter Beschuss geraten, eines der Tiere sei schwer verwundet worden und habe stark geblutet, was ihn sehr mitgenommen habe. Die übrigen Tiere seien in Panik geraten, und zwei Soldaten hätten sie unter Lebensgefahr gehalten, um eine Massenpanik („stampede“) zu verhindern, die den einzigen Versorgungsweg blockiert haben könnte und damit die Front in ernste Gefahr gebracht hätte. Abschließend haltet er fest, dass der permanente Beschuss zum normalen Umfeld gehöre.

Als Adressatenkreis lässt sich ableiten, dass der Text zunächst an ihn selbst gerichtet ist, das es sich um ein persönliches Fronttagebuch handelt. Daraus kann man schließen, das der Zweck die Verarbeitung der Erlebnisse und den Festhaltung des erlebten Zustands ist: Das Bild eines Soldaten, der unter Dauerstress funktioniert und dessen Leben jederzeit enden kann. Da der Text aber in abgetippter Form vorliegt, könne man vermuten, Silas hat zumindest später auch an eine Leserschaft außerhalb der unmittelbaren Front gedacht, etwa mit Blick auf Veröffentlichung oder Dokumentation.

Die Sprache und der Stil stützen diese Funktion stützen. Silas schreibt in der Ich-Form, mit Alltagssprache und direkter Wiedergabe von Zurufen („keep to the right … run for it“). Der Ton wirkt müde, sarkastisch und fatalistisch. Das deute darauf hin, dass er sich selbst nicht als Held inszenieren will, sondern als erschöpften, überforderten Frontsoldaten.

Zur Zuverlässigkeit lässt sich festhalten, dass diese Quelle einen hohen Wert für die Erforschung der Erfahrungs- und Mentalitätsgeschichte der ANZAC-Soldaten in der Frühphase der Gallipoli-Kämpfe (April/Mai 1915) hat.

Insgesamt kann man daraus folgern, dass die Quelle weniger als objektiver Operationsbericht zu lesen ist, sondern als Innenansicht eines beteiligten Soldaten, der den Alltag an der Front festhielt.: Angst, Routine im Töten und Sterben, körperliche Erschöpfung und die ständige Präsenz von Beschuss.

"The Final Report of the Dardanelles Commission"(Auszug S. 86-88)

Quellenkritik & Zusammenfassung:

Die Sekundärquelle "The Final Report of the Dardanelles Commission", (part ii - Conduct of operations &c) with Appendix of documents and maps ist ein amtlicher britischer Untersuchungsbericht, der primäre Belege in den Anhängen (Zeugenaussagen, Aktenabschriften) enthält und zwischen 1916 und 1919 nach Abschluss der Gallipoli-Operation verfasst wurde. Der Bericht erscheint als Command Paper („Presented to Parliament by Command of His Majesty“) und wurde im Namen von König Georg V. dem Parlament vorgelegt. Die amtliche Veröffentlichung erfolgte durch das His Majesty’s Stationery Office (HMSO). Das verleiht dem Text formale Autorität und belegt den Zugang zu amtlichen Akten, bedeutet aber keine inhaltliche Autorschaft des Monarchen, sondern die Vorlage auf Regierungsveranlassung. Er richtet sich an Parlament und Öffentlichkeit, hat erklärten Aufarbeitungscharakter und verfolgt das Ziel, politische wie militärische Entscheidungen nachvollziehbar zu machen und Verantwortlichkeiten zu klären. Es werden viele Materialien benutzt: Zeugenaussagen, Stabs- und Ministerialakten, Befehle, Lage- und Verlustzahlen sowie logistische Übersichten. Der Zugang zu britisch-alliierten Unterlagen ist breit gestellt. Osmanische Primärquellen sowie australische und neuseeländische sind dagegen nur randständig eingebunden, was den Bericht einseitig macht. Der Bericht ist amtlich-sachlich formuliert. Er fasst die komplexe Frontlage knapp zusammen und ordnet sie in klare Beurteilungsachsen (Planung, Ressourcen, Führung, Taktik, Entscheidung). Das erhöht die Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit der Argumente, verringert jedoch die Detailtiefe bei der Darstellung konkreter Abläufe.

Die Dardanelles-Kommission kam zu dem Schluss, dass die Gallipoli-Expedition von Anfang an unter gravierenden Planungs- und Führungsfehlern gelitten habe. Man habe den Angriff beschlossen, ohne die militärischen Voraussetzungen und logistischen Erfordernisse ausreichend zu bedenken. Der Widerstand der türkischen Truppen sei völlig unterschätzt worden, ebenso die Schwierigkeiten des Geländes. Schon vor der Landung hätte man erkennen können, dass die Unternehmung nur mit einer klaren Konzentration der Kräfte und ausreichender Ausrüstung Erfolg haben könnte, Bedingungen, die jedoch nie erfüllt worden seien.

Nach den ersten Fehlschlägen seien Entscheidungen zu spät getroffen worden, was auch durch politische Umbrüche in London verzögert worden sei. Besonders die Operationen im August 1915, etwa bei Suvla und Anzac, seien unzureichend vorbereitet und schlecht geführt worden. Mangelnde Entschlossenheit, unklare Befehle und die Unerfahrenheit der Truppen hätten zum Scheitern beigetragen. General Stopford habe die Lage vor Ort nicht genügend überwacht, und Sir Ian Hamilton habe die Stärke der türkischen Verteidigung und die begrenzte Wirkung der Marineunterstützung falsch eingeschätzt.

Nach Ansicht der Kommission hätte nach den verlustreichen Kämpfen im August klar sein müssen, dass ohne erhebliche Verstärkungen kein Erfolg mehr möglich gewesen sei. Die spätere Entscheidung zur Evakuierung sei daher richtig gewesen. Insgesamt habe die Expedition an fehlender Planung, unzureichender Ausstattung und zu optimistischer Einschätzung der Lage gelitten, auch wenn die Zusammenarbeit zwischen Armee und Marine als vorbildlich bezeichnet worden sei.

 

 Winston Churchill und seine Schuld an das Versagen der Gallipoli-Campagne

Winston Churchill war als Erster Lord der Admiralität maßgeblich an der Planung der gescheiterten Gallipoli-Kampagne beteiligt. Die von ihm geförderten Marine- und Landungsoperationen gegen das Osmanische Reich führten zu enormen Verlusten und einer vernichtenden Niederlage, was zu seinem Rücktritt führte. Infolgedessen musste er von seinem Posten zurücktreten, trat aus dem Staatsdienst aus und kämpfte später als Offizier an der Westfront. 

 

Zusammenfassung:

In seiner Rede vor dem britischen Parlament am 7. März 1916 spricht Winston Churchill über die Navy Estimates. Er befasst sich mit der Situation der britischen Marine und seiner Beteiligung an der Gallipoli-Kampagne. Er betrachtet die Probleme bei Strategie sowie Organisation, vor denen Großbritannien im Ersten Weltkrieg stand. Gleichzeitig verteidigt er die Kernpunkte seiner Seepolitik.

Churchill sagt zuerst, Großbritannien plante vor Kriegsbeginn schon viel, um seine Seemacht zu sichern. Trotzdem begann der Krieg, während viele Waffen- und Schiffbauprojekte noch liefen. Durch dieses zeitliche Zusammentreffen war die britische Flotte zwar stark. Sie hatte sich aber nicht komplett auf den Ernstfall eingestellt.

Gleichzeitig betont Churchill, die genaue Macht der deutschen Marine blieb damals unklar. Deutschland bewahrte seine militärischen Fähigkeiten sorgfältig. Trotz dieser Ungewissheiten arbeitete Großbritannien fortlaufend daran, seine Flotte zu stärken und die Technik zu verbessern.

Ein Hauptpunkt der Rede ist Churchills nachdrückliche Bitte um Aufmerksamkeit, Ordnung sowie Ausdauer. Er mahnt, sich nicht mit bisher Erreichtem zufriedenzugeben. Er unterstreicht, der Krieg verlangt ständige Achtsamkeit, Einsatz und eine geschlossene Organisation. Kleine Fehler bringen seiner Meinung nach ernste Folgen. Dabei fordert Churchill das Parlament auf, die Pflicht gegenüber den Truppen und dem Land zu akzeptieren und das Militär weiter voll zu unterstützen.

Churchill legt besonderes Augenmerk auf die Verteidigung der Gallipoli-Kampagne, die man schon als militärischen Misserfolg ansah. Er beschreibt die Unternehmung als strategischen Versuch, die festgefahrene Situation an der Westfront aufzulösen und dem Krieg eine andere Wendung zu geben. Obwohl er die Probleme sowie Rückschläge der Aktion zugibt, unterstreicht er, sie war nötig und die Entscheidungsträger hatten den Mut, neue Wege einzuschlagen. Die Kampagne, so Churchill, gehörte zu einem größeren strategischen Plan. Dieser Plan wollte den Gegner indirekt schwächen und auf lange Sicht Nutzen bringen.

Beim Thema Schuld am Scheitern der Aktion zeigt Churchill Selbstkritik neben Rechtfertigung. Er nimmt einen Teil der Verantwortung an. Er macht klar, die Entscheidungen traf man in einem komplizierten strategischen Rahmen und mit guten Absichten. Fehler passierten während der Durchführung.

Bei einem so großen Krieg gibt es immer Fehler. Man darf deswegen aber die wichtigen strategischen Ziele nicht vergessen.

Am Ende hob Churchill hervor, wie wichtig die Macht auf See für den Sieg Großbritanniens im Krieg war. Eine starke, zeitgemäße Flotte stellte die Grundlage, um nationale Interessen zu schützen sowie Deutschland auf Dauer zu besiegen. Deshalb verlangte er, die Marine ständig auszubauen und zu erneuern. Neue Schiffe bauen und technische Neuerungen entwickeln war hierbei zentral.

 

 

 

Einordnung:

Im Hinblick auf die Gallipoli-Kampagne verfolgt Churchill eine deutlich apologetische Strategie. Er räumt zwar taktische Fehler und Rückschläge ein, interpretiert die Operation jedoch als notwendigen Versuch, die Pattsituation an der Westfront zu durchbrechen. Diese Darstellung zielt darauf ab, seine Verantwortung für das Scheitern der Unternehmung zu relativieren, indem er sie in den Kontext einer mutigen und strategisch begründeten Gesamtplanung stellt. Die Betonung des Mutes, neue Wege zu gehen, sowie der Verweis auf die Unvermeidlichkeit von Fehlern in einem globalen Konflikt, dienen der Rekonstruktion seiner politischen Legitimität.

Die Rede ist damit zugleich ein Beitrag zur öffentlichen Rehabilitierung Churchills. Nach seiner Entlassung aus dem Amt des Ersten Lords der Admiralität im Jahr 1915 befand er sich politisch in einer prekären Position. Das Parlament, vor dem er sprach, war nicht nur das formale Publikum seiner Rede, sondern auch der Adressatenkreis, dem gegenüber er seine politische Handlungsfähigkeit und strategische Kompetenz erneut unter Beweis stellen musste. Seine Argumentation ist daher nicht rein informativ, sondern auch rhetorisch auf Selbstrechtfertigung und Wiederherstellung seines Ansehens ausgelegt.

Zugleich richtet sich die Rede an eine breitere Öffentlichkeit, da ihre Inhalte über Parlamentsprotokolle und die Presse rezipiert wurden. Churchill nutzt diese Bühne, um das Vertrauen in die britische Marinepolitik zu stärken und den Eindruck strategischer Kohärenz trotz einzelner Misserfolge zu vermitteln. Seine Betonung der Bedeutung der Seemacht und seiner Forderung nach weiterer Aufrüstung spiegeln nicht nur eine militärische Notwendigkeit wider, sondern dienen auch dazu, seine ursprüngliche Marinepolitik nachträglich zu legitimieren.

 

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